„Arbeitsmedizinische Forschung ist hochkreative Arbeit“
Porträt: Prof. Dr. med. Simone Schmitz-Spanke, Professorin an der Erlanger Friedrich-Alexander Universität, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Zu Beginn ihrer medizinischen Laufbahn wollte Simone Schmitz-Spanke eigentlich Orthopädin werden. „Dann aber hat mir die Forschung zu sehr gefehlt“, erzählt die 52-Jährige. Sie geht Dingen gern auf den Grund, liebt das Fach Biologie. 2014 erhält die dreifache Mutter die Professur für „Biomarker in der Arbeitsmedizin“ an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Biomarker sind Parameter, mit denen Umwelt- und Arbeitsbelastungen diagnostiziert und prognostiziert werden können. „Unsere wissenschaftlichen Untersuchungen bilden beispielsweise die Grundlage für die Festlegung von Grenzwerten“, sagt Professorin Schmitz-Spanke. „Damit schützen wir die Beschäftigten an ihrem Arbeitsplatz.“
Wissenschaft braucht kreative Köpfe
Ihre Tätigkeit bezeichnet sie als äußerst kreativ. „Alles steht und fällt mit der Fragestellung zu Beginn und der Suche nach der erfolgsversprechenden Untersuchungsmethodik.“ Dazu sei es notwendig, die relevanten Studien zum Forschungsgegenstand zu kennen, deren Inhalte beurteilen zu können und darauf aufbauend neue Fragen und Methoden zu entwickeln. Ihr Mitarbeiterstab besteht aus fünf Doktoranden und zwei Post-Doktoranden. Mit ihnen diskutiert sie ihre Forschungsvorhaben und -methoden, Studierende erheben die Daten im Labor oder berechnen sie mit Hilfe von Modellen. Ein – wie sie sagt – sehr fruchtbarer Prozess: „Kliniken sind meist sehr hierarchisch organisiert“, urteilt Professorin Schmitz-Spanke. „In unserem Institut hingegen begegnen wir uns auf Augenhöhe, pflegen einen kollegialen Austausch.“ Je ein Drittel ihrer Arbeitszeit fließt in die Lehre, die Entwicklung von Forschungsdesigns und deren Umsetzung. Dabei kann sie sich ihre Arbeitszeit frei einteilen. Bis zu vier Mal im Jahr hält sie Vorträge auf internationalen Kongressen, in Arbeitskreisen oder bei Forschungsgesellschaften.
Als Teil einer Voll-Universität ist ihr Institut interdisziplinär aufgestellt. „Gerade in der arbeitsmedizinischen Forschung ist das Hinzuziehen anderer Disziplinen wie Biologie, Chemie, Physik, aber auch Psychologie und Soziologie unverzichtbar“, sagt Schmitz-Spanke. Dieser vertiefte Blick in andere Forschungsdisziplinen sei sehr bereichernd. „Unser Forschungsgegenstand ist ja in sich sehr komplex“, sagt die gebürtige Neusserin aus Nordrhein-Westfalen. „Rein klinische Studien greifen da manchmal zu kurz.“
„Wir haben nach wie vor nicht genügend Lehrstühle für Arbeitsmedizin. Zugleich entscheiden sich zu wenige Medizinstudentinnen und -studenten für die Forschung und Lehre, da ihre Ausbildung in erster Linie auf den Einsatz in Kliniken und Praxen zielt. Tatsächlich aber brauchen wir mehr Wissenschaftler in unserer Disziplin, um aktuellen beruflichen und betrieblichen Anforderungen mit wissenschaftlich gestützten Maßnahmen begegnen zu können. Arbeitsmedizin ist ein äußerst interessantes und vielfältiges Fach: Die Fülle an Themen, Fragestellungen und Methoden geht meist weit über die Medizin und Biologie hinaus. Es ist die Interdisziplinarität, die das Fach so spannend macht.“
Die Wissenschaftlerin als Schriftstellerin
Manchmal vergleicht Professorin Schmitz-Spanke ihre Tätigkeit mit der einer Schriftstellerin. „Man sitzt vor einem Wust aus Daten, muss diese interpretieren und den Sinn bzw. die wissenschaftliche Erkenntnis herausarbeiten. Dies muss der wissenschaftlichen Gemeinschaft schlüssig vermittelt werden, quasi als Tatsachenroman.“ Wer in der Forschung keine „wissenschaftliche Story“ vermitteln könne, werde nicht publiziert und ohne Publikationen erhalte man keine Drittmittel, mit denen weitergehende Forschungen finanziert werden. Eine ihrer jüngsten Stories lautet: „Können Bestandteile von Dieselruß Krebs in der Harnblase auslösen?“ Hintergrund ist, dass in Berufsgruppen, die mit Dieselfahrzeugen arbeiten, es Hinweise für eine vermehrte Erkrankung an Harnblasenkrebs gibt. Fünf Jahre lang hat Professor Schmitz-Spanke in einem interdisziplinären Team an dieser Fragestellung geforscht. Fazit: Die Biologie ist so komplex und überrascht immer wieder. Die auskleidende Schicht der Harnblase kann sich gegen viele Gefahrstoffe sehr effektiv wehren – und es muss weiter geforscht werden.
Curriculum Vitae
Studium und Ausbildung. *1966 in Neuss/Nordrhein-Westfalen, 1985 Medizinstudium in Düsseldorf, 2013 Habilitation in Essen, 2013 Berufung zur Professorin am Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander Universität in Erlangen, Fachgebiet „Biomarker in der Arbeitsmedizin“
Berufsweg: 1991 – 1992 Ärztin im Praktikum und Assistenzärztin in der Orthopädie; 1994 -2005 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Experimentelle Chirurgie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; 2005 – 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin am Universitätsklinikum Essen; seit 2013 Professur „Biomarker in der Arbeitsmedizin“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Kernkompetenz: neugierig, kreativ, leidenschaftliche Dozentin und Forscherin