„Auf die Frage, was ich beruflich mache, scherze ich oft: Tagsüber bin ich in Restaurants und Kneipen unterwegs!“
Porträt: Stefan Linnig, MPH Facharzt für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin mit eigener Praxis in Berlin
„Eigentlich hatte ich gar nicht vor, Arbeitsmediziner zu werden“, erzählt Stefan Linnig. „Und dann hat sich diese Entscheidung als absolut genial erwiesen!“ „Genial“ sei, dass er in seiner eigenen Praxis selbstständig arbeiten könne, ständig unterwegs sei und Neues kennen lerne. „Dabei wollte ich mich nie selbstständig machen!“ sagt der 48-Jährige, obwohl er aus einer Familie niedergelassener Ärzte kommt. Jetzt betreibt er die Berliner Praxis für Arbeits- & Präventivmedizin (PAPmed) im sechsten Jahr, beschäftigt mit seinen beiden Partnern zwei fest angestellte Ärzte und zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Gesundheits- und Praxismanagement.
Existenzsorgen aufgrund fehlender Kunden gab es noch nie. Im Gegenteil: „Über unser Kontaktformular erreichen uns pro Woche fünf bis sechs Anfragen“ sagt der gebürtige Saarlouiser. Arbeitsmedizinische Betreuung sei ein Anbietermarkt: „Es gibt nach wie vor zu wenig Betriebsärztinnen und Betriebsärzte. Deshalb können wir uns unsere Kunden aussuchen.“ Auch die Honorare seien frei verhandelbar. Das einzig Limitierende sei die Arbeitszeit. „Da kann man sich dann entscheiden: Will ich mich ausbeuten – oder lass ich es sein.“ Herr Linnig ist leidenschaftlicher Unternehmer: „Ich habe es nie bereut, die arbeitsmedizinische Praxis gegründet zu haben“, sagt er. „Alles stimmt: die Aufgabe, der Verdienst, das Maß an Freiheit und Freizeit.“
„Ich wollte immer die große Vielfalt leben und kein Spezialistentum. Konnte mir nicht vorstellen, jeden Tag am gleichen Ort das Gleiche zu tun. In meiner Tätigkeit komme ich sehr viel rum, lerne fast täglich etwas Neues. Ich bin in Kneipen und Restaurants unterwegs, in Industrieunternehmen und Dienstleistungsbetrieben, lerne Menschen und Branchen hinter den Kulissen kennen, mit denen man sonst nicht in Berührung kommt. Das macht einfach Spaß.“
AMD TÜV Rheinland: Bundesweit für die Gesundheit der Beschäftigten unterwegs
Nach seinem Medizinstudium in Berlin arbeitete Stefan Linnig zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Robert Koch-Institut (RKI) in der Infektionsepidemiologie. Eine Kliniktätigkeit kam für ihn nach ersten Erfahrungen nicht in Frage: „Zu wenig Zeit für Patienten, zu wenig Freizeit, zu monoton und finanziell unattraktiv.“ Als die Projektstelle beim RKI 2005 auslief, bildete er sich beim AMD TÜV Rheinland zum Arbeitsmediziner fort. Der überbetriebliche Dienst betreut bundesweit Unternehmen betriebsärztlich und sicherheitstechnisch. Sechs Jahre lang war Stefan Linnig als Betriebsarzt davon vier Jahre als stellv. Fachgebietsleiter Arbeitsmedizin beim AMD TÜV Rheinland tätig. In dieser Zeit erhielt er die Weiterbildungsermächtigung Betriebsärzte auszubilden – ein zweites Standbein, das ihm sehr viel Freude macht. Seit 2007 engagiert sich Stefan Linnig auch berufspolitisch im Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW).
„Erst die Klinik, dann der Betrieb“
Jungen Medizinerinnen und Medizinern empfiehlt Stefan Linnig, zunächst viel Erfahrung in der klinischen Medizin in Kliniken und Praxen zu sammeln. Das sei wichtig, um das Spektrum ärztlicher Tätigkeit in seiner ganzen Tiefe kennen zu lernen. Erst dann sollte man sich auf das Fachgebiet Arbeitsmedizin konzentrieren. Das man allerdings nicht unterschätzen sollte – weder inhaltlich noch organisatorisch. „Es ist nicht so einfach, wie viele meinen“, gibt Linnig zu Bedenken. „Man muss auf Kunden zugehen können, Lernen sich selbst zu organisieren, Angebote entwickeln und verkaufen, eigene Ideen haben und kreativ umsetzen.“ Dann aber sei es ein Traumjob. „Ich kenne Kollegen, die sind schon über siebzig und hören nicht auf“, sagt er. „Einfach, weil es Ihnen so viel Spaß macht.“
Curriculum Vitae
Studium und Ausbildung. *1970 in Saarlouis/Saarland, 1990-1999 Medizinstudium, 2007-2009 Master in Public Health mit Schwerpunkt Gesundheitsprävention in Berlin, seit 2008 Facharzt für Arbeitsmedizin in Berlin
Berufsweg: 1999-2001 Arzt im Praktikum, 2001-2002 Tätigkeit in HIV-Schwerpunktpraxis, 2003-2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Robert Koch-Institut, Abt. f. Infektionsepidemiologie; 2006-2008 Tätigkeit beim AMD TÜV Rheinland und Weiterbildung zum Arbeitsmediziner; 2012 zusammen mit Dr. Michael Wendorf und Dr. Schmitz-Rode Gründung der Praxis für Arbeits- & Präventivmedizin in Berlin, seit 2012 wissenschaftlicher Leiter Kurs A1, Akademie für Arbeitsmedizin an der Ärztekammer Berlin, seit 2016 Sprecher des Forums Selbständige im VDBW
Kernkompetenz: leidenschaftlicher Unternehmer, kreativer Arbeitsmediziner, humorvoll und neugierig