29.08.2022

Mehr Zeit für meine Patienten, mehr Zeit für meine Familie.“

Seit 2021 arbeitet Dr. Stefan Hartmann als angehender Arbeitsmediziner bei einem überbetrieblichen Dienst. Zuvor war er als Anästhesist, Intensiv- und Notfallmediziner auf der Intensivstation einer Klinik tätig. Der Wechsel wurde notwendig, als er zum zweiten Mal Vater wurde. „Meine Frau und ich sind beide als Ärztin und Arzt voll berufstätig“, erklärt der der 37-Jährige. Mit ungutem Gefühl erinnert er sich an die Zeit, in der er müde von der Nachtschicht kam, eigentlich hätte schlafen müssen, seine Partnerin aber ebenso geschafft war von ihrer durchwachten Nacht mit dem gemeinsamen Kind. „Da haben wir beschlossen, dass wir etwas ändern müssen.“

Praxis oder Betrieb? Betrieb!

„Ich stand vor der Entscheidung: Entweder gehe ich in eine niedergelassene Praxis oder in die Arbeitsmedizin“, berichtet Dr. Stefan Hartmann. Da er bereits in seinem Medizinstudium fünf Jahre lang als Betriebssanitäter die Betriebsärztinnen und -ärzte eines großen Busherstellers mit rund 5.000 Beschäftigten unterstützt hatte, entschied er sich für die Arbeitsmedizin, wechselte Ende 2021 zu einem überbetrieblichen Dienst und startete seine zweieinhalbjährige Weiterbildungszeit. Auf das Stipendium des Aktionsbündnisses war er über die Webpage der DGAUM aufmerksam geworden: Ab Juli 2022 erhält er zwölf Monate lang 300 Euro für die Kinderbetreuung. „Diese Unterstützung ermöglicht meiner Frau und mir, die Betreuung unserer ein- und vierjährigen Kinder zu finanzieren und dadurch beide berufstätig zu bleiben.“

In der Arbeitsmedizin fühlt er sich wohl. Jeder Tag sei anders: „Ich lerne unglaublich viele Menschen in unterschiedlichsten Lebens- und Arbeitswelten kennen“, schwärmt der gebürtige Oberbayer. „Ich betreue Verkehrsunternehmen, IT-Dienstleister und Industrieunternehmen, in meine Sprechstunde kommen Küchenhilfen und Bandarbeiter, Verwaltungs- und Führungskräfte, Ingenieure, Informatiker und Ungelernte.“ Noch immer staunt er darüber, wie viel Zeit er für seine Patientinnen und Patienten hat. Auch der Druck sei geringer. „Wenn ich als Anästhesist krank wurde, fielen mit mir gleich alle in diesem Saal geplanten Operationen aus. Dadurch, dass sich dies sehr negativ für die Patienten und Patientinnen auswirkt und die Klinik eine Menge Geld verliert, lastet ein enormer Druck auf den Klinikärztinnen und -ärzten, die dann häufig auch krank zur Arbeit gehen. In der Arbeitsmedizin herrscht auch wirtschaftlicher Druck, Termine können jedoch leichter verschoben, ersetzt oder nachgeholt werden.“ Allerdings: „Wer Freude daran hat, in Extremsituationen agieren zu müssen und diesen Adrenalinschub schätzt, dem wird in der Arbeitsmedizin etwas fehlen: Es ist ein präventives Fach, eine sprechende Medizin. Mein Arbeitstag ist planbar. Er hat einen Anfang und ein Ende.“ Seit er als Arbeitsmediziner Unternehmen rund um Ulm und Stuttgart betreut, ist er jeden Tag abends zu Hause und hat 52 freie Wochenenden im Jahr.

Freie Arbeitsplatzwahl

Was ihm auch sehr gut gefällt: „Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner werden gesucht. Man kann sich den passenden Job aussuchen: wie will ich arbeiten, wo will ich arbeiten, was will ich arbeiten und wie ist mein Marktwert“, so Dr. Stefan Hartmann. „Vielleicht mache ich mich mit der Arbeitsmedizin irgendwann selbstständig“, überlegt er. Neben seiner Weiterbildung zum Facharzt für Arbeitsmedizin absolviert er aktuell den Bachelor-Studiengang „Gesundheitstechnologie-Management“, in dem ein großer Block Betriebswirtschaftslehre enthalten ist. „Das kann ich dann bestimmt gut gebrauchen“, schmunzelt er. „Aber erst mal lasse ich jetzt alles auf mich zukommen.“

Dr. Stefan Hartmann: Anästhesist, Intensiv- und Notfallmediziner auf der Intensivstation findet als Quereinsteiger zur Arbeitsmedizin
(Foto: © Dr. Stefan Hartmann)